Eine Zeit grundsätzlichen Wandels

Wir leben in einer Zeit des Wandels, und dieser Wandel will kreativ gestaltet werden.

Was ist neu an diesem Wandel? Eine erweiterte Weltsicht, die unseren Alltagsvorstellungen widerspricht, rückt in unser Bewusstsein, - mit unbekannten Auswirkungen. Obwohl von den spirituellen Traditionen aller Kulturen immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass unsere Alltagssicht wesentliche Aspekte der Welt ausklammert, konnte sich diese Alltagssicht behaupten. Sie war im Alltagsleben erfolgreich und die erweiterte zu fremd....  

Die dramatische Entwicklung von Wissenschaft und Technik in den letzten 100 Jahren fordert von der Gesellschaft ein Umdenken hin zu dieser erweiterten Sicht.

Schrittweise und von der Allgemeinheit kaum registriert verändert sich unsere Welt bereits; der Preis für die überforderte Gesellschaft: Umweltkrise, Müll-Lawine, Klimawandel, Artensterben, Geo-Engineering, Disstress und Burnout sind Schlagworte, die langsam in unser Bewusstsein dringen und uns immer mehr verunsichern.

Wird die Menschheit den Wandel selbst gestalten, oder wird der Wandel in seiner Eigendynamik die Lebenswelt des Menschen umgestalten und evtl. sogar den Menschen dabei eliminieren?

Wie sieht eine lebenswerte Welt am Ende dieses Wandels aus? Diese Realutopie muss von der Gesamtgesellschaft erschaffen und getragen werden, eine Voraussetzung dafür ist ein erweitertes Bildungssystem, das hilft, diese bevorstehenden Herausforderungen zu meistern.

Was ist der Ausgangspunkt für diesen Wandel?

Willis Harman hat 1989 die Weltvorstellung der herrschenden konventionellen (horizontalen) Wissenschaften in zehn Aussagen zusammengefasst:

  1. Die einzig vorstellbare Art und Weise, Wissen zu erlan­gen, liegt in den physikalischen Sinnen und möglicher­weise in einer Art Informationsweitergabe der Gene.
  2. Alle qualitativen Werte sind letztlich auf quantitative Eigenschaften reduzierbar.
  3. Es gibt eine klare Unterscheidung zwischen objektiver Welt und subjektiver Erfahrung. Das Konzept des freien Willens ist ein vorwissenschaftliches Konzept.
  4. Das Verhalten des Menschen ist durch Kräfte be­stimmt. Psychische Freiheit oder freie Wahl ist Illusion.
  5. Bewusstsein ist die Nebenwirkung von physikalischen und biochemischen Prozessen.
  6. Gedächtnis beruht auf im Zentralnervensystem gespei­cherten Daten, vergleichbar mit dem Informations­speicher in einem Digitalcomputer.
  7. Voraussagen über zukünftige Ereignisse sind nur auf der Basis von bekannten Ursachen und Gesetzmäßig­keiten möglich.
  8. Der menschliche Geist kann keine unmittelbare Wir­kung auf Objekte außerhalb des Organismus ausüben.
  9. Es gibt keinen Grund zur Annahme einer zielgerich­teten Evolution, alles ist durch zufällige Mutation und natürliche Selektion zustande gekommen.
  10. Das individuelle Bewußtsein überlebt nicht den Tod des Organismus.

Quelle: Nach W. Harman, Bewusstsein im Wandel, Edition Phönix, Bauer Freiburg (1989), S. 43 f

 

Testen Sie doch einmal, mit welcher dieser Aussagen sie noch heute, ca. 30 Jahre später, uneingeschränkt übereinstimmen. In einer unserer Bildungs-Plattformen (Menschen-und Weltbilder) haben wir um die Jahrtausendwende jeweils unsere Kursteilnehmer zu diesen Aussagen von W. Harmann befragt. Eine zunehmende zahl von Teilnehmern hatte Zweifel an diesen Aussagen. Daran ließ sich über die Zeit zeigen, wie tiefgreifend doch der Wandel unser Weltbild transformiert.

Heute werden alle zehn Aussagen angezweifelt. In den letzten 30 Jahren sind in Bezug auf alle diese Punkte neue Erkenntnisse gewonnen worden, die diese ehemaligen Pfeiler unseres rationalen Weltbildes ins Wanken bringen.

Wo ist dieser Wandel in unserer Lebenswelt sichtbar?

Die viel diskutierte Quantenwelt, vor 100 Jahren aus einem Konflikt der klassischen Naturwissenschaften heraus formuliert und dann schrittweise experimentell bestätigt, widerspricht zwar unserer Alltagserfahrung, zwingt uns aber über ihren beispiellosen wissenschaftlich-technischen Erfolg zu einem erweiterten Weltbild, das nicht mehr aus einem umfassenden widerspruchsfreien Erklärungsmodell besteht. Wir müssen uns auf mehrere sich ausschließende Vorstellungswelten einstellen, wollen wir mit dem Wandel Schritt halten.

 Entsprechend der Grafik "Acht Blickwinkel" (aus der Rubrik Denkmodelle dieser Website, siehe Abbildung am Anfang dieses Beitrags) ist es vereinfacht der Wechsel von Blickwinkel 1 zu Blickwinkel 2 in unserer Beziehung zur Außenwelt und die zunehmende Bewusstwerdung von Blickwinkel 5 in unserer Vorstellung von unserer Innenwelt.

Während wir in Blickwinkel 1 die Welt als Welt der Fakten, der Materie/Objekte sehen, sie anfassen und zerlegen können, verbunden durch Kräfte, die wir spüren können, ist uns der Blickwinkel 2 aus dieser klassischen Sichtweise verschlossen, trotzdem wird dieser Blickwinkel mehr und mehr zur Grundlage unserer Wirtschaft und damit unserer Lebenswelt. Vor 10 Jahren schätzte man, dass ca. 30% unseres Bruttosozialprodukts seine Grundlage in diesem neuen Blickwinkel 2 hat, heute sind es sogar schon mehr als 50%. Fernseher, Handys, Navies, Roboter, überhaupt jegliche Elektronik fußen auf dieser Tiefendimension. Die ganze Wertschöpfungskette aus Hard- und Software der Computerindustrie, die modernen Kommunikationsnetze und die künstliche Intelligenz (KI) zählt dazu.

Aus Werkzeugen (Blickwinkel 1) wurden Denkzeuge (Blickwinkel 2), denen wir auf Basis unserer klassischen Bildung nicht mehr gewachsen sind.

Der Transhumanismus, eine mögliche Zukunft?

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die künstliche Intelligenz dem Menschen gänzlich überlegen ist. Heute diskutieren wir über eine mögliche, schon in 20 bis 30 Jahren (!) realisierbare Welt des Transhumanismus, in der eine Verschmelzung von Mensch und Maschine eingeleitet wird, eine Evolution 2.0, in der eine neue Rasse von Cyborgs möglicherweise den Homo sapiens ablöst.

Lassen wir einen der Vordenker der Transhumanisten, Ray Kurzweil (Reinventing Humanity, 2006) zu Wort kommen:

 

Die Verschmelzung von Mensch und Maschine, mit der plötzlichen Explosion der Maschinen-Intelligenz wird, im Verbund mit rasend schneller Innovation in den Bereichen der Gen-Forschung sowie der Nanotechnologie, zu einer Welt führen, wo es keine Unterscheidung mehr zwischen dem biologischen und dem mechanischen Leben oder zwischen physischer und virtueller Realität gibt. Diese technologischen Revolutionen werden es uns ermöglichen, unsere gebrechlichen Körper mit all ihren Einschränkungen zu überwinden. Krankheit, wie wir sie kennen, wird ausgerottet. Die menschliche Existenz wird einen Quantensprung in der Evolution durchlaufen. Wir werden in der Lage sein, zu leben solange wir wollen.

 

Ist das unsere Vision der Zukunft? Wollen wir dort leben? Werden wir uns entscheiden müssen, bevor wir das Potential unseres Bewusstseins (Blickwinkel 5) uns entscheiden!

Es wird höchste Zeit, für diese sich entwickelnde Welt Vorstellungen, Regeln und Gesetze zu entwickeln.

So sinniert der bekannte US-amerikanische Technologieberater, Investor und Philantrop Roger McNamee in einem derzeit viel gelesenen Artikel über das Thema: "How to fix Facebook - before it fixes us".

(zitiert nach https://www.wired.de/collection/life/reparieren-durch-regulieren).

 

Als Beispiel einige der gegenwärtigen Forderungen für Regeln im sich schnell entwickelnden Bereich der Sozialen Netze:

  • Ein Verbot von sich als Menschen ausgebenden Bots in den Sozialen Netzwerken.
  • Starke Regulierung von Neuzukäufen durch Mega-Unternehmen (wie z.B. im Fall der Käufe von Instagram und Whatsapp durch Facebook oder YouTube durch Google) zur Verhinderung von Monopolen in den neuen Technologien.
  • Transparenzgesetze im Fall von politischer Werbung (und Verbraucherwerbung) – erste Ansätze dafür finden sich bereits im Honest Ads Act der USA.
  • Transparenz bei eingesetzten Algorithmen – Nutzerinnen und Nutzer sollen wissen, auf welcher Datenbasis ihnen welche Werbung angeboten wird.
  • Zeitliche und räumliche Einschränkungen bei der Verwendung von Nutzerdaten durch Plattformen/Anbieter.
  • usw. usw.

und natürlich ein wirksamer Schutz vor dem Diebstahl der Persönlichkeit.

Wie außen, so auch innen.

Unsere sich schnell entwickelnden Beziehungen zur Mit- und Umwelt erfordern auch eine entsprechende Erweiterung unseres Bewusstseins. Ob wir wollen oder nicht, wir haben in unserem Verständnis mit der sich entfaltenden neuen künstlichen Umwelt mitzuwachsen. Das ist zuerst einmal Aufgabe eines Bildungssystems, das uns auf die Bewältigung dieser Aufgabe vorbereitet. Wir brauchen Konzepte , mit denen wir unsere geänderte Lebenssituation erfassen und begreifen können.

Der Wandel wird uns von einer Tiefendimension unserer Welt diktiert, die wir bisher übersehen, unterschätzt oder nicht für möglich gehalten haben. Dementsprechend hat diese Tiefendimension mit ihren Gesetzen Teil unseres Bildungsbereichs zu werden. Das gilt für unsere Vorstellung der Innenwelt, der Umwelt und nicht zuletzt auch unserer Mitwelt, bedenkt man z.B. die dramatische Geschwindigkeit, mit der unsere Gesellschaft zerfällt.

Ein Zerfall der Gesellschaft braucht nur 50 Jahre, der (Wieder-)Aufbau einer Kultur aber 500 Jahre.

Bisher konnte die menschliche Entwicklung mit den Erkenntnissen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Lebenswelt Schritt halten.

Im gegenwärtigen Wandel sind die natürlichen Adaptationsmöglichkeiten überfordert, die natürlichen Eigenzeiten selbstorganisierter Systeme (zu denen auch die komplexe Ordnung einer Gesellschaft gehört) werden nicht mehr eingehalten. Wir unterschätzen die sich daraus ergebenden Gefahren.

Es besteht dringender Handlungsbedarf, wollen wir nicht von der sich entwickelnden Evolution 2.0 eines Transhumanismus überrollt werden. 

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Wir danken für die Projektförderung durch die Stiftung Bildungsforschung, Lüneburg

 

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